Mit der Rikscha zu strahlenden Augen
lokal ist voller Antrieb. Karin Will fährt Rikscha. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen vom Projekt „Radeln ohne Alter“ bringt sie Seniorinnen und Senioren in Bewegung – und zum Strahlen. Dafür bekam sie jetzt den Ehrenamtspreis der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau.

Wenn Karin Will über ihre Rikscha spricht, leuchten ihre Augen. Die Mitarbeiterin der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau hat vor zwei Jahren das Projekt „Radeln ohne Alter“ nach Bad Krozingen gebracht – und damit vielen Seniorinnen und Senioren wortwörtlich den Wind um die Nase zurückgegeben. Für ihr außergewöhnliches ehrenamtliches Engagement wurde sie im Juli 2025 mit dem Ehrenamtspreis der Sparkasse ausgezeichnet.
Alles begann mit einer ganz persönlichen Idee: Sie wollte ihrem Vater, der im Pflegeheim lebt und früher leidenschaftlich Rennrad fuhr, eine Freude machen. Eine Ausfahrt mit dem Fahrrad – das war der Plan. Als sie auf das Freiburger Projekt „Radeln ohne Alter“ stieß, war sie sofort Feuer und Flamme. Nach einer Schulung durfte sie dort eine Rikscha ausleihen und ihren Vater chauffieren. „Er hat sich sofort reingesetzt und einfach nur die Fahrt genossen“, erzählt sie. Eine Runde durch den Nebel, ein bisschen Sonnenschein – und ein unvergesslicher Moment.
Doch bei dieser einen Fahrt blieb es nicht. Karin spürte: Das will ich auch anderen ermöglichen. Sie sprach Pflegeheime und Tagespflegen in Bad Krozingen und Staufen an, stellte einen Förderantrag – und organisierte bald Ausfahrten mit einer eigenen Rikscha. Die Nachfrage wuchs, das Projekt wurde größer, der Aufwand auch. Ihr Lohn? Strahlende Gesichter. Glückliche Erzählungen. Bewegung, Gemeinschaft und echte Begegnung.
„Viele Menschen mit Demenz fangen plötzlich an zu plaudern. Sie erinnern sich, lachen, erzählen Geschichten. Und ich fahre einfach mit – durch den Kurpark, durch die Stadt, an Orte voller Erinnerungen“, sagt Karin Will. Nach dem Motto der weltweiten Initiative „Radeln ohne Alter: „Jeder hat das Recht auf Wind im Haar“ schenken Karin und die anderen ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern Zeit, Beweglichkeit und Lebensfreude durch die gemeinsame Ausfahrten.
Im Einsatz ist sie meist selbst – ehrenamtlich, bei jedem Wetter. Unterstützung bekommt sie mittlerweile von einem kleinen Team, weitere Helfer:innen werden gesucht. Ihr Traum? Eine zweite Rikscha für den Standort Staufen.
Für dieses Herzblut, für die Organisation, fürs Dranbleiben bekam sie den Ehrenamtspreis der Sparkasse– und mit ihm die Anerkennung, die sie eigentlich gar nicht will: „Ich mach das, weil es einfach schön ist“, sagt sie. Und wer je erlebt hat, wie jemand nach so einer Fahrt aus der Rikscha steigt – mit einem Lächeln, das vom Herzen kommt – der weiß: Sie hat recht.

„Viele blühen richtig auf“
Karin, du bekommst im Juli den Ehrenamtspreis der Sparkasse. Was genau machst du eigentlich?
Karin Will » | Ich fahre Rikscha. Und zwar mit Seniorinnen und Senioren – meistens aus Pflegeheimen oder betreutem Wohnen. Das Ganze heißt „Radeln ohne Alter“, und ich hab das nach Bad Krozingen gebracht.
Wie kommt man denn auf so eine Idee?
» | Eigentlich wollte ich nur meinem Vater eine Freude machen. Der war früher passionierter Rennradfahrer, ist aber inzwischen dement und lebt im Heim. Ich wollte ihm einfach was schenken – eine schöne Ausfahrt mit dem Rad.
Dann hab ich von „Radeln ohne Alter Freiburg“ gehört, die Rikschafahrten für alte Menschen anbieten. Ich hab‘ gefragt, ob ich da mitfahren darf.
Und wie war die erste Fahrt?
» | Unvergesslich! Mein Vater setzte sich in die Rikscha. Warm in Decken eingemummelt fuhren wir an einem Novembertag bei Bodennebel und Sonnenschein entlang der Dreisam Richtung Kirchzarten. Man spürte wie er den Fahrtwind genoss. Er war ganz bei sich und total glücklich. Das war ich auch.
Aber dann hast du’s nicht dabei belassen.
» | Nee, ich dachte: Das ist zu schön, um es nur einmal zu erleben. Also hab‘ ich eine Woche lang mit einer ausgeliehenen Rikscha geübt, bin in Bad Krozingen rumgefahren, hab Flyer gemacht, mit Heimen gesprochen. Irgendwann stand ich beim verkaufsoffenen Sonntag mit der Rikscha mitten im Trubel und habe das Projekt Radeln ohne Alter vorgestellt.
Wie war die Reaktion?
» | Wahnsinn. Ich war allein, konnte kaum über das Projekt erzählen, weil alle mitfahren wollten. Da hab‘ ich gemerkt: Das trifft einen Nerv. Dank MobiGeist e.V. der die Idee voll unterstützt, konnte ich einen Förderantrag stellen und einfach machen!
Hat’s geklappt?
» | Ja – kurz vor Weihnachten 2023 kam die Zusage. Ich hab’ die Rikscha bestellt, und am 1. März 2024 war sie da – meine Antje aus Holland, wie ich sie liebevoll nenne. Seitdem fahren wir regelmäßig: Tagespflege, Pflegeheim, betreutes Wohnen. Am Anfang bin meist selbst die Fahrerin, aber inzwischen hab’ ich ein kleines Team. Und wir wollen wachsen – am liebsten mit einer zweiten Rikscha für Staufen.
Was macht das mit den Menschen, die mitfahren?
» | Unglaublich viel. Viele blühen richtig auf, reden plötzlich, lachen. Manche erinnern sich an Orte, an früher. Das Strahlen in ihren Augen – das ist unbezahlbar. Eine Frau hat so gestrahlt, dass ihre Betreuer sagten: „So haben wir sie ewig nicht mehr gesehen.“ Und manchmal fahren wir an Orte, wo sie früher gelebt oder gearbeitet haben. Das ist wie eine Reise in die eigene Geschichte. Manche steigen lustlos und mit Schwere ein. Am Ende der Fahrt, steigen sie mit unerwarteter Leichtigkeit und mit gewachsener Freude aus. Das ist sehr bemerkenswert und lässt die Angehörigen stauen.
Und du? Was macht das mit dir?
» | Es ist das Schönste, was ich je gemacht hab. Es ist viel Arbeit, klar – aber ich sehe jede Woche, was es bringt. Und wenn jemand nach der Fahrt sagt: „Das war mein schönster Tag seit Langem“, dann weiß ich, warum ich das mache.
Und jetzt gibt’s dafür einen den Ehrenamtspreis der Sparkasse!
» | Ja, Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen baff. Ich mach das ja nicht, um geehrt zu werden – aber ich freue mich riesig, dass ich mein Herzensprojekt damit unterstützen und weiterbringen kann. Wir brauchen Menschen, die gerne Radeln und andere Menschen Zeit schenken wollen. Als Dankeschön erhalten sie das schönste Lächeln und strahlende Augen. Was will man mehr!

Weiter Infos gibt’s hier:
Radeln ohne Alter – Bike Bridge
Fotos: Axel Kleemann