Weiter auf Kurs in turbulenten Zeiten

veröffentlicht am 31. Oktober 2022

lokalist gut aufgestellt. Elf Jahre lang hat Marcel Thimm als Vorstandsvorsitzender den Kurs der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau geprägt. Nun übergibt er den Staffelstab an Nachfolger Daniel Zeiler. Wie geht’s weiter? Darüber sprechen der scheidende und der künftige Sparkassen-Chef mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden, Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn.

 

Der Ruhestand kann kommen: Marcel Thimm, der bisherige Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau (2. v.l.), tritt zum 1. November 2022 in den Ruhestand. Sein Nachfolger an der Spitze des Vorstandsteams wird Daniel Zeiler (2. v.r.), bisher stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Tuttlingen. Es gratulieren (v.l.): Stefan Schlatterer, Oberbürgermeister Emmendingen und stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau, Martin W. W. Horn, Oberbürgermeister Stadt Freiburg und Verwaltungsratsvorsitzender und Roman Götzmann, Oberbürgermeister der Stadt Waldkirch und zweiter stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender.

 

lokalist | Herr Thimm: 47 Jahre in der Sparkasse, 23 davon im Vorstand der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau und elf als deren Vorstandsvorsitzender – wie fühlen Sie sich kurz vorm Ruhestand?

Marcel Thimm | Ich empfinde Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt und Wehmut, weil eine spannende Zeit zu Ende geht. Dazu große Dankbarkeit gegenüber allen, die mir dieses ausgefüllte und befriedigende Berufsleben ermöglicht haben.

 

Ruhig war das ja nicht. In Ihre Zeit fielen Finanz- und Staatsschuldenkrise. Sie waren gefordert wegen der Niedrigzinsphase, Corona und Ukrainekrieg. Und nicht zuletzt die Digitalisierung und das Dauerthema Klimawandel. Was waren die größten Herausforderungen?

Marcel Thimm | Ganz klar die Konjunkturkrisen, denn da ging es darum, unseren Unternehmenskund:innen auch in schwierigen Situationen beizustehen und Arbeitsplätze zu sichern. Die Geldpolitik der EZB mit ihren widernatürlichen Negativzinsen kommt hinzu. Sie bedrohte das traditionelle Geschäftsmodell von uns Sparkassen.

 

Wie haben Sie das gemeistert?

Marcel Thimm | Letztlich immer nur miteinander: Die gute Zusammenarbeit mit allen Menschen in der Sparkasse, und zwar wirklich auf allen Ebenen. Dazu die Rückendeckung unserer 35 Trägergemeinden und deren Vertreter:innen in unseren Aufsichtsgremien.

 

„Als Vorstandsvorsitzender hat er die Sparkasse in herausfordernden Zeiten auf Kurs gehalten und das Institut auch im Vergleich zu anderen im Land außerordentlich gut entwickelt.“ Freiburgs OB Martin Horn (rechts) über Marcel Thimm.

 

Herr Zeiler, wie sind Sie in der Kreissparkasse Tuttlingen, ihrem ehemaligen Arbeitgeber, mit diesen Herausforderungen umgegangen?

Daniel Zeiler | Zentral war und ist immer, auf unsere Kompetenzen und Erfahrungen als Sparkasse zu vertrauen. Uns gibt es jetzt fast 200 Jahre und in dieser Zeit haben wir weit mehr Krisen gemeistert – die beste Basis, um gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu finden.

 

Wie ist die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau für die Zukunft gerüstet?

Daniel Zeiler | Die letzten Jahre waren sehr erfolgreich: Die Eigenkapitalsubstanz konnte ausgebaut werden – eine sehr gute Voraussetzung, um unabhängig zu agieren. Deshalb möchte ich an dem Ziel Substanzaufbau festhalten. Und wir müssen beweglich bleiben. Das bedeutet, unser Geschäftsmodell und den öffentlichen Auftrag ständig an den Anforderungen unserer Kundinnen und Kunden auszurichten. Wir müssen nahe an den Menschen sein, rechtzeitig erkennen, was ansteht und darauf reagieren. Das betrifft konkret die Produktgestaltung und die Optimierung der Vertriebswege. Die Digitalisierung ist eine Daueraufgabe.

 

Der Fachkräftemangel ist auch ein Thema?

Daniel Zeiler | Er wird zunehmen. Eins ist klar: Ohne die Kompetenz und das Engagement der Mitarbeitenden funktioniert das Konzept Sparkasse nicht. Das bekommen wir nur hin, wenn die Menschen, die bei uns arbeiten, auch zufrieden sind. Attraktive Arbeitgeberin sein ist eine permanente Aufgabe.

 

Herr Horn, als Oberbürgermeister und Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau: Worauf sollte sich ein regionales Kreditinstitut konzentrieren?

Martin Horn | Die Sparkasse ist eine wichtige Akteurin für die Gesamtentwicklung einer Stadt. Freiburg hat sich in den letzten Jahrzehnten überaus dynamisch entwickelt. Was sich nicht nur im Stadtbild mit vielen neuen Bauprojekten und Gebäuden niederschlägt, sondern vor allem auch in der Zunahme der Arbeitsplätze, der Weiterentwicklung bestehender und der Ansiedlung neuer Unternehmen. Überall, wo Kapital für Wachstum und Entwicklung benötigt wird, ist die Sparkasse eine strategische Partnerin. Die Gewerbesteuer hat in den vergangenen Jahren einen Rekord nach dem anderen aufgestellt. Und selbst in Zeiten überlagernder Krisen mit Corona, dem Ukrainekrieg und nun der Energiekrise, ist es uns gelungen, dass sich die Stadt weiter entwickeln kann. Das ist auch der Sparkasse, Herrn Thimm und dem Vorstandsteam sowie insbesondere den engagierten Mitarbeiter.innen zu verdanken.

 

Was wünschen Sie dem zukünftigen Vorstandvorsitzenden?

Martin Horn | Einen rundum guten Start in Freiburg und der Region. So wie ich ihn bisher kennengelernt habe, wird er mit Dynamik und vielen Ideen starten. Herr Thimm hat ein sehr gut bestelltes Haus hinterlassen. Dieses gilt es zu pflegen, aber auch weiterzuentwickeln, was in Anbetracht der sich abzeichnenden Umbrüche in der Gesamtwirtschaft aber auch im Bankenbereich eine Herkulesaufgabe sein wird. Nur gemeinsam kann man in diesen schwierigen Zeiten erfolgreich gestalten.

 

Herr Thimm, welche regionalen Besonderheiten erwarten Ihren Nachfolger?

Marcel Thimm | Wir sind seit langer Zeit ein Wachstumsgebiet. Viele zukunftsfähige Branchen und Unternehmen sind hier zu Hause, die wollen und müssen auch zukünftig wachsen. Aber viele Menschen sehen die Grenzen des Wachstums erreicht. Dies trotzdem zu gestalten und Kompromisse zu ermöglichen bleibt eine große Herausforderung.

 


„Handel und Dienstleistungen prägen die wirtschaftliche Infrastruktur in Emmendingen. Weinbau, Kultur und Landschaft in direkter Nähe zur Schwarzwaldmetropole Freiburg machen die Region Nördlicher Breisgau so lebenswert.“

Oberbürgermeister Stefan Schlatterer, Emmendingen


 

Die Region weiter voranbringen, die Sparkasse entwickeln – für den neuen Vorstandsvorsitzenden Daniel Zeiler (Mitte) angesichts vieler Krisen keine leichte Aufgabe. Aber immerhin in einer der schönsten Regionen des Landes.


„Waldkirch und das Elztal sind eine gute Mischung aus attraktivem Gewerbestandort, hoher Lebensqualität und touristischer Anziehungskraft. Hier lässt es sich leben, arbeiten und wohlfühlen.“

Oberbürgermeister Roman Götzmann, Waldkirch


 

Herr Zeiler – was unterscheidet Freiburg von Tuttlingen?

Daniel Zeiler | Die Region Tuttlingen ist sehr industriell geprägt und weist in Baden-Württemberg die zweitgrößte Industriedichte aus. Das verarbeitende Gewerbe ist sehr stark, vor allem Medizintechnik, Automobilzulieferbetriebe und Elektrotechnik. Gerade letztere hängen stark von der Konjunktur ab, was man auch in der Sparkasse spürt. Das ist der wesentliche Unterschied zu Freiburg und dem Nördlichen Breisgau mit dem ausgeprägten städtischen Bürgertum sowie dem Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung, den es mit der Universität und den zahlreichen Forschungseinrichtungen gibt.

 

Herr Thimm, die Niedrigzinsphase war mit die größte Herausforderung für die Sparkasse in den letzten Jahren. Wäre jetzt alles besser ohne die hohe Inflation?

Marcel Thimm | Wir Sparkassen waren immer der Meinung, dass die Geldpolitik der EZB in den letzten Jahren, mit Negativzinsen und Käufen von Staatsanleihen, schädlich ist. Jetzt wurde diese Politik korrigiert, aber der Schaden in Form von dramatisch hohen Inflationsraten ist da. Der schreckliche Krieg in der Ukraine hat diese Situation nicht ausgelöst, aber verschärft.

 

Gibt es Chancen, eine Rezession zu verhindern, Herr Zeiler?

Daniel Zeiler | Eine Rezession im nächsten Jahr ist wahrscheinlich unausweichlich. Da sind sich die meisten Volkswirt:innen einig. Aber sowohl die Sparkasse als auch die meisten Unternehmen sind hier sehr gut gerüstet, da sie die letzten Jahre nutzten, um unternehmerische Substanz aufzubauen.

 

Die drohende Rezession ist vor allem der hohen Inflation geschuldet. Ist die EZB mit ihrer derzeitigen Steuerungspolitik auf dem richtigen Weg?

Daniel Zeiler | Die Zinswende war unvermeidlich und trägt dazu dabei, dass sich unser Geschäftsmodell normalisieren wird. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Monaten weitere Zinsschritte geben wird. Aber die EZB hat zu spät auf die steigende Inflation reagiert. Das zwingt sie zu großen Zinsschritten, die sich negativ auf die Konjunktur auswirken. Ein Blick in die USA und auf die FED zeigt: Eine frühere Zinswende wäre möglich gewesen und hätte die konjunkturellen Auswirkungen etwas abgemildert.

 

Herr Horn, können Kommunen Preissteigerungen aufhalten?

Martin Horn | Wir sind maßgeblich von der Politik auf nationaler und europäischer Ebene abhängig. Aber wir als Kommune sind auch Auftraggeber. Allein im letzten Doppelhaushalt haben wir weit über 200 Millionen Euro in Projekte investiert. Wir können Krisen entgegenwirken, in dem wir als Stadt in soziale Infrastruktur wie Kitas, Schulen und bezahlbares Wohnen investieren.

 

Herr Zeiler, was hätte die Sparkasse für Möglichkeiten?

Daniel Zeiler | Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen und Marktgegebenheiten können wir nicht umkehren oder beeinflussen. Wir können aber gemeinsam mit den betroffenen Kunden individuelle Lösungen finden. Bei Finanzierungen beispielsweise Überbrückungsmöglichkeiten, bis sich die Situation wieder beruhigt hat. In jedem Fall kann ich betroffenen Kund:innen nur empfehlen, bei Schwierigkeiten frühzeitig Kontakt mit uns zu suchen. Hier ist es gut, dass wir in der Region präsent und tief verwurzelt sind.

 

Herr Thimm, am 1. November treten Sie Ihren Ruhestand an. Haben Sie Pläne?

Marcel Thimm | Endlich mehr Sport treiben und vor allem: Gemeinsam mit meiner Familie und mit Freunden die vielen Reichtümer dieser wunderbaren Region entdecken.

 

Herr Zeiler, Ihr Kalender ist dagegen proppenvoll. Wie werden Ihre ersten Wochen als neuer Vorstandsvorsitzender aussehen?

Daniel Zeiler | Besuche, Besuche und Besuche. Ich will die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau wirklich kennen lernen und auch die Unternehmen und Menschen im Geschäftsgebiet. Ich werde also sehr viel unterwegs sein. Mir ist ein direkter und guter Draht zu den Führungskräften und Mitarbeitenden wichtig. Deshalb freue ich mich schon, alle Geschäftsstellen und Abteilungen nach und nach zu besuchen. Ebenso plane ich zahlreiche Kennenlernbesuche bei Kundinnen und Kunden, Trägergemeinden und weiteren Geschäftspartner:innen. Das wird meine persönliche Regio-Tour in den nächsten Wochen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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