Lieferketten krisensicher aufstellen

veröffentlicht am 28. Juni 2022

Wie Sie Ihr Supply-Chain-Management optimieren: Unternehmen, die beim Management ihrer Lieferketten auf digitale Lösungen setzen, können schneller auf Engpässe reagieren. Unsere Tipps, wie Sie erfolgreich Risiken in Ihrem Supply-Chain-Management verringern.

 


„Die Digitalisierung der Volkswirtschaften hat durch die Coronakrise einen Schub bekommen.“

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank


 


Das Wichtigste in Kürze:

  • Unternehmen sollten ihre Lieferanten für sämtliche Projekte mit wenigen Klicks visualisieren können.
  • Smart Data kann helfen, geschäftskritische Risiken und deren Auswirkungen auf die Lieferketten kontinuierlich zu überwachen.
  • Zulieferer in unterschiedlichen Regionen zu haben, reduziert das Risiko von Komplettausfällen in der Supply Chain.

 

Die Corona-Pandemie hat weltweit zu Störungen in den Lieferketten geführt. Die Engpässe in den Supply Chains führen zu Produktionsproblemen und bremsen die wirtschaftliche Erholung kleiner wie großer Unternehmen. Neben dem akuten Krisenmanagement gilt es nun, Lieferketten so aufzustellen, dass sie bei künftigen Krisen weniger anfällig sind.

 

In der Krise

Die Handlungsfähigkeit von Einkauf und Supply-Chain-Management (SCM) ist entscheidend für den Geschäftserfolg von produzierenden Unternehmen – während und nach der Coronakrise und ebenso während des Ukraine-Krieges: Sie müssen die Versorgung sichern und damit die Arbeitsfähigkeit des Unternehmens aufrechterhalten.

Einkauf und Lieferkettenmanagement sind dazu noch Frühwarnindikatoren für Krisen: Lieferengpässe in China gehörten zu den ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie, die auch Unternehmen in Europa spürten. Mit jedem neuen Krisenherd wächst die Zahl der Unternehmen, die mit Störungen in der Lieferkette umgehen müssen.

Seit dem 24. Februar 2022 sind Folgen des Ukraine-Krieges überall in der Logistik zu spüren. Viele Verbindungen des internationalen Warenverkehrs zwischen Westeuropa und China sind auf die Ukraine, Belarus oder Russland als Transitländer angewiesen. Durch die zerstörte Infrastruktur im Kriegsgebiet, ausgesetzte Zugverbindungen, geänderte Flugrouten und Sanktionen gegen Russland kommen viele Warenströme zwischen China und Europa derzeit zum Erliegen, oder der Warentransport wird deutlich komplizierter, langwieriger und teurer.

 

Höhere Preise und längere Wartezeiten

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befragte bereits im August 2021 deutsche Unternehmen im In- und Ausland zu Lieferengpässen, mit denen sie zu kämpfen hätten. Über alle Wirtschaftszweige hinweg meldeten 83 Prozent der Unternehmen Preisanstiege oder Lieferprobleme bei Rohstoffen, Vorprodukten und Waren. Das hat Auswirkungen auf den gesamten Geschäftsprozess.

 

 

Als Gründe für die Engpässe nennen die Unternehmen vor allem eine gestiegene Nachfrage sowie zu geringe Produktionskapazitäten (70 Prozent) und Transportprobleme (53 Prozent). Es fehlt an Frachtkapazitäten, Häfen werden wegen erneuter Corona-Ausbrüche immer wieder geschlossen. Die Folgen: Höhere Einkaufspreise (88 Prozent), längere Wartezeiten auf bestellte Waren und Rohstoffe (73 Prozent) und ein erhöhter Planungsaufwand (60 Prozent) stellten die Mehrheit der Unternehmen vor Herausforderungen.

 

Auf der Suche nach neuen Lieferanten

 

 

Zwei von drei Unternehmen müssen gestiegene Preise an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben (67 Prozent). Fast genauso viele Befragte machen sich auf die Suche nach neuen oder zusätzlichen Lieferanten. 57 Prozent der Unternehmen erhöhen die Lagerhaltung.

 

5 Schritte zum krisenfesten Supply Chain Management

  1. Interdisziplinär arbeiten
    In der Coronakrise haben viele Unternehmen Taskforces ins Leben gerufen und die damit verbundene schnelle Entscheidungsfindung schätzen gelernt. Vertreterinnen und Vertreter aller Abteilungen stimmen sich in kurzen Intervallen ab. Der Bereich Supply-Chain-Management spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wichtig ist nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit, sondern auch Agilität: Was am Vortag sinnvoll erschien, ist einen Tag später möglicherweise schon wieder überholt. 
    Diese in der Krise gezeigte Lern- und Anpassungsfähigkeit wird auch nach der Pandemie helfen, wenn es gelingt, diesen Schwung mitzunehmen. Digitale Kollaborationsplattformen können dabei unterstützen.
  2. Transparenz schaffen
    Unternehmen sollten ihre Lieferanten für sämtliche Projekte im Blick haben, sie mit wenigen Klicks visualisieren können. Oft liegen die Daten aber in verschiedenen technischen Systemen – mit jeweils unterschiedlichen Datenhoheiten.
    Investitionen in die Harmonisierung von Daten zahlen sich schnell aus. Mit Process Mining lassen sich komplexe Verbindungen und Prozessverläufe in den Lieferketten transparent darstellen – so wie sie tatsächlich ablaufen und wie sie idealerweise ablaufen sollten. Dieser Vergleich ermöglicht es, Optimierungspotenziale entlang der gesamten Lieferkette aufzudecken und SCM-Prozesse anzupassen.
  3. Risiken früh erkennen
    Geschäftskritische Risiken und deren Auswirkungen auf die Lieferkette sollten kontinuierlich überwacht werden. Dafür braucht es ein Risikomanagement, das im besten Fall auch auf Smart Data aus externen Quellen zurückgreift. Dazu können Wetterdaten ebenso gehören wie Streikankündigungen, Hinweise auf politische Konflikte – oder eben Informationen über die Ausbreitung von Virusinfektionen.
    Genauso wichtig sind Informationen über die Lieferanten und das Transportmanagement. Digitale Lösungen helfen Firmen dabei, besser mit Lieferanten und Logistikpartnern zusammenzuarbeiten. Dadurch können die Partner wiederum effizienter planen und Informationen über mögliche Engpässe frühzeitig an ihre Kundinnen und Kunden übermitteln.
    Die Blockchain-Technologie, eine Art dezentrales Logbuch für Daten, bietet viele Vorteile für die Überwachung von Lieferketten: Daten werden verifizierbar übermittelt und aktuell und sicher vorgehalten.
  4. Lieferanten diversifizieren
    Was für die Produktion von Atemschutzmasken und für Grundstoffe für Medikamente gilt, gilt auch für andere Güter: Das Outsourcing ganzer Produktionsbereiche nach Asien hat europäische Firmen in Zeiten von Corona verwundbar gemacht. Keine gute Idee, nur auf einen Lieferanten zu setzen oder nur mit Lieferanten aus einer Region zusammenzuarbeiten. Nicht nur Epidemien, auch Naturkatastrophen oder die Änderung von politischen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen können schnell zu Störungen in der Lieferkette führen.
    Unternehmen sollten ihre Lieferanten also diversifizieren, um das Risiko zu streuen. Dann wirken sich Erschütterungen in einzelnen Liefermärkten weniger gravierend aus. Daher steht nun bei vielen Unternehmen mit globalen Lieferketten weit oben auf der Agenda, Kapazitäten im heimischen Markt beziehungsweise in der EU neu oder wieder aufzubauen.
  5. Compliance-Risiken im Blick behalten
    Auch wenn viele Entscheidungen in der Krise besonders schnell getroffen werden müssen, sollten Sie Ihre Firma keinen neuen Compliance-Risiken aussetzen, etwa in Hinblick auf Korruption, Embargos oder die Verletzung von Menschenrechten.
    Die Überwachung auch neuer Lieferanten ist daher zentral. Die Auslagerung bestimmter Prüf- und Kontrollaufgaben an einen Dienstleister kann hier helfen. Bestimmte Schritte im SCM lassen sich auch automatisieren.

 


Das neue Lieferkettengesetz
In Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sind ab 1. Januar 2023 verpflichtet, entlang ihrer Lieferkette auf die Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards zu achten. Dann tritt das sogenannte Lieferkettensorgfaltsgesetz in Kraft. Unternehmen müssen unter anderem ein entsprechendes Risikomanagement einrichten und Präventionsmaßnahmen bei unmittelbaren Lieferanten umsetzen, um zum Beispiel Kinderarbeit oder Zwangsarbeit zu verhindern. Bei klaren Hinweisen auf Verstöße müssen Unternehmen handeln. Mehr dazu beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.


 

„Arbeitsteilung bleibt das überlegene ökonomische Prinzip“

Im Gespräch mit Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank

 

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka

 

Dr. Ulrich Kater ist seit 2004 Chefvolkswirt der DekaBank, dem Wertpapierhaus der Sparkassen. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Geldpolitik, Währungspolitik, internationale Kapitalmärkte und Finanzpolitik. Von 1995 bis 1999 gehörte Dr. Ulrich Kater dem Stab der „fünf Wirtschaftsweisen“ an.

 

Herr Dr. Kater, verabschieden sich Unternehmen von globalen Lieferketten?

Dr. Ulrich Kater » | Arbeitsteilung bleibt das überlegene ökonomische Prinzip. Je nach Branche werden die Lieferketten in der Tendenz wohl etwas verkürzt werden. Doch der Versuch, sich durch einen Komplettumbau der Lieferketten auf eine derartige Pandemie vorbereiten zu wollen, hätte nicht akzeptable Kosten und Produktivitätseinbußen zur Folge.

 

Verstärkt Corona protektionistische Tendenzen?

» | Grundsätzlich sollte die Pandemie nicht als Brandbeschleuniger für Protektionismus missbraucht werden. Ein konstruktiver globaler Geist würde im Gegenteil bei der Bewältigung der Krise helfen.
Doch ich vermute einen stärkeren Trend zum Regionalismus, der schon vor der Ausbreitung des Coronavirus angelegt war. Die drei großen Wirtschaftsräume Asien, Europa und Amerika könnten auch im Hinblick auf die Lieferketten regionale Schwerpunkte setzen.

 

Welche Chancen bietet Digitalisierung im Supply-Chain-Management?

» | Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Digitalisierung der Volkswirtschaften durch die Coronakrise einen Schub bekommen hat. Eines der bekannten Gesichter der Digitalisierung, der 3-D-Drucker, dürfte eine große Rolle für die Lieferketten spielen.
Tatsächlich bietet sich für Hochlohnländer wie jene in Europa nun wieder eine Möglichkeit, die Produktion von Vorprodukten selbst zu übernehmen, also die eigene Wertschöpfung zu erhöhen und die Abhängigkeit von Lieferketten zu verringern.

 

Was hilft noch dabei, Lieferketten krisenfest zu machen?

» | Die scheinbar einfache Antwort lautet: Lagerhaltung. Aber genau das kostet Geld, das wir bis zuletzt mit der Just-in-Time-Produktion haben sparen wollen. Es wird also zwischen den Risiken abreißender Lieferketten und den Kosten der zusätzlichen Lagerhaltung abzuwägen sein. Sicherlich wird auch helfen, mehr Lieferanten als bisher zu suchen, also durch Streuung, auch im regionalen Sinne, die Risiken beeinträchtigter Lieferketten zu verringern.

 

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Supply-Chain-Management


 

Was ist Supply Chain Management?
Unter Supply-Chain-Management (SCM) wird der Aufbau und die Verwaltung von Logistikprozessen entlang der gesamten Lieferkette (Supply Chain) eines Unternehmens verstanden. Darunter fallen alle Stufen von der Rohstoffgewinnung bis zur Auslieferung eines Produkts an den Endkunden oder die Endkundin.

 

Was sind Voraussetzungen für das Supply-Chain-Management?
Damit das SCM gut funktioniert, braucht es einen transparenten Informationsfluss zwischen allen Beteiligten und einen möglichst hohen Grad an Vernetzung. Digitale Lösungen können die Integration fördern, Prozesse verschlanken und die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens bei Störungen in der Lieferkette erhöhen.

 

Was gehört zum Supply-Chain-Management?
Supply-Chain-Manager und -Managerinnen verfolgen das Ziel, die Leistungsfähigkeit der Lieferkette im Verhältnis zu den eingesetzten Kosten zu optimieren, zum Beispiel durch:

  • Senkung der Kosten für Material oder Lagerhalterung,
  • Verkürzung von Produktions- oder Lieferzeiten,
  • Einsatz digitaler Technologien – beispielsweise bei der Nachverfolgung von Waren,
  • Verbesserung der Produktqualität.

 

Warum ist Supply-Chain-Management wichtig?
Supply Chain Management (SCM) trägt dazu bei, dass Unternehmen Waren termingerecht und zur Zufriedenheit ihrer Kundinnen und Kunden produzieren (lassen) und ausliefern können. SCM ist also ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Je größer das Unternehmen und je komplexer der Beschaffungs- oder Herstellungsprozess ist, desto wichtiger wird das effiziente Management aller Prozesse entlang der gesamten Supply Chain.

 

Was ist der Unterschied zwischen Logistik und Supply Chain?
Logistiker und Logistikerinnen sind dafür da, dass Rohstoffe und Waren ihren Weg zu ihrem Bestimmungsort finden und alles reibungslos läuft. Nach der sogenannten „Seven-Rights-Definition“ von Plowman stellt Logistik sicher, dass das richtige Gut in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden oder die richtige Kundin zu den richtigen Kosten verfügbar ist.
Experten und Expertinnen für Supply-Chain-Management haben noch stärker den Gesamtprozess im Blick. Was lässt sich in der Wertschöpfungskette optimieren? Welche Fehler tauchen gehäuft auf? In welche digitalen Systeme sollte investiert werden?


 

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