Mittelstand und Sparkassen: Wir können auch Krise
Alle sind sich einig: Angesichts galoppierender Energiepreise braucht der Mittelstand Unterstützung. Über das „Wie“ wird innerhalb der Bundesregierung und zwischen Interessenvertretern noch heftig gerungen. Das ist angesichts der Komplexität des Themas ja verständlich – doch für viele Unternehmen wird die Zeit knapp. Sie brauchen die Hilfen schnell.
Vor diesem Hintergrund ist es zunächst überraschend, dass die deutschen Sparkassen Mitte September erneut gute Zahlen zur finanziellen Fitness der deutschen Betriebe vorgelegt haben. Doch beide Entwicklungen gehören zusammen: Der Mittelstand hat es bisher immer wieder geschafft, sich zu behaupten. Jetzt ist die Situation allerdings so, dass zu Fachkräftemangel, Lieferkettenproblemen, Digitalisierung, Pandemie und Umweltschäden die Energiekrise on top hinzukommt – und bestehende Herausforderungen verschärft. Einzelne Betriebe und ganze Branchen stehen vor der Aufgabe, unter schwankenden Bedingungen solide zu wirtschaften oder sich sogar ganz neu zu erfinden.
Müssen sich Sparkassen Sorgen um ihre mittelständischen Kunden machen – und wo können sie konkret helfen? Wir haben Problemlagen ergründet – und Antworten gefunden.
Fakten: Hohe finanzielle Stabilität – finanzielle Fitness im Stress-Test
Die Schlagzeilen aus diesem September lesen sich ganz schön düster: „Droht ein Herbst der Pleiten?“ (tagesschau.de), „Handwerkspräsident warnt vor Insolvenzwelle“ (spiegel-online), „Dem Mittelstand droht der Kollaps“ (Tagesspiegel), „Konsumflaute: Die große Angst vor Geisterstädten“ (spiegel-online).
Wichtig zu wissen: Solche Schlagzeilen sind keine Tatsachenberichte – sie sind Prognosen, Warnungen, Weckrufe. Und manchmal haben sie natürlich auch die Funktion, Gelder lockerzumachen, um erwartete Härten zu mildern.
Die Fakten sind differenzierter. Das zeigt die Untersuchung „Zukunft Mittelstand“ des DSGV. Sie basiert auf einer Auswertung der Firmenkundenkennzahlen sowie des Firmenkreditgeschäfts der Sparkassen und auf der DSGV-Branchenprognose. Der S-Mittelstands-Fitnessindex beruht auf der Analyse von jährlich rund 300.000 anonymisierten Unternehmensbilanzen. Es ist die bundesweit größte Datenbasis dieser Art.
Die wichtigsten Botschaften:
- Stand heute ist der Corona-Knick fast überwunden, der Mittelstand hat die Pandemie insgesamt gut weggesteckt.
- Mit 39 Prozent Eigenkapital im Durchschnitt haben die meisten Unternehmen das nötige Kapital für anstehende Investitionen. Den Unternehmen erhalten zusätzliche Rückendeckung durch Kredite.
- Im ersten Halbjahr 2022 haben die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe rund 60 Milliarden Euro an neuen Firmenkrediten zugesagt. Das ist ein Plus von 19 Prozent – und ein deutliches Bekenntnis der Sparkassen zum Mittelstand. Und das Bekenntnis wiegt doppelt angesichts einer heraufziehenden Krise und der gewaltigen Kraftanstrengungen, die auf uns zukommen.
Das heißt: Der Mittelstand geht gut gerüstet in die Krise – oder genauer gesagt: von einer Krise in die nächste. Allerdings sind Bilanzen immer nur ein Blick in die Vergangenheit. Einen Blick nach vorn lassen sie nur sehr begrenzt zu. Die Prognose des S-Mittelstandsfitness-Index zeigt, dass die Unternehmen vor einem mehrdimensionalen Stress-Test stehen, der auch ihre Finanzkraft herausfordert.
Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa hat im Auftrag des Arbeitgeberverbands BDA 200 Unternehmer danach gefragt, welche Probleme aus ihrer Sicht die wichtigsten sind. Klarer Spitzenreiter: die Energiekrise, die von gut drei Viertel der Unternehmer genannt wurde. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Fachkräftemangel und die Lieferketten. Die Inflation steht knapp dahinter auf dem vierten Platz, dürfte aber für viele der Befragten bereits in den „Top 3“ mit drinstecken. Denn die Preise für Strom und Brennstoff, der Fachkräftemangel und die Lieferkettenprobleme haben eins gemeinsam: Sie alle verteuern die Produktion.
Wir haben uns diese „Top 3“-Herausforderungen näher angesehen. Einiges davon haben wir schon in früheren Infobriefen ausführlicher behandelt und Links gesetzt, damit Sie bei Bedarf tiefer in diese Themen eingraben können.
1. Energie: Umbau erfordert große Kraftanstrengung
Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben handfeste Folgen für die deutsche Volkswirtschaft. Wir müssen den Energieverbrauch schnell und deutlich senken und damit auch die Auswirkungen der Inflation so gering wie möglich halten. Mittelfristig muss die Energieversorgung von fossilen auf regenerative Energien umsteuern. Das bedeutet nicht weniger als einen grundlegenden Umbau unserer Wirtschaft – eine Mammutaufgabe.
Der Mittelstand hat dabei eine Doppelrolle:
- Zum einen sind die Betriebe von den steigenden Energiepreisen betroffen und müssen mit möglichen Versorgungslücken planen.
- Zum anderen ist der Mittelstand Akteur beim energetischen Wandel. Energetische Gebäudesanierung, neue Heizungsanlagen und Antriebstechniken sind riesige Arbeitsfelder für mittelständische Unternehmen. Und für manche Gründer sind sie sogar der Ausgangspunkt für neue Geschäftsmodelle.
Die nötigen Investitionen in Energieeffizienz, die Nutzung regenerativer Energien und der Aufbau innovativer Geschäftsfelder bedeuten riesige Investitionsvolumina – und diese Umstellung muss finanziert werden.
Hier informieren und beraten die Sparkasse, finanzieren und fördern entsprechende Projekte, wie die Beispiele Gutex und Taifun zeigen.
- Rund 42 Prozent des Kreditvolumens für Unternehmen und Selbstständige in Deutschland kommen aus der Sparkassen-Finanzgruppe. Diese Kredite sind die Basis für den Umbau. Die Sparkasse Freiburg ist Nr.1 im Länd in Sachen Förderkredite.
- Auch bei alternativen Finanzierungsmodellen hat die Sparkassen-Finanzgruppe viel zu bieten. Dabei kann sie auf ihr Netzwerk aus Verbundpartnern wie die Deutsche Leasing, Deutsche Factoring und die Landesbanken zurückgreifen. Die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau ist die Nr. 1 für strategische Finanzierungslösungen.
- Beim KfW-Förderschwerpunkt „Energiewende (gewerblich)“ halten Sparkassen und Landesbanken die Marktführerschaft.
2. Fachkräfte und Arbeitskräfte: Den Mangel managen
Laut einer Umfrage des ifo-Instituts kämpfen 49,7 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit dem Fachkräftemangel. Laut Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) fehlten im ersten Quartal dieses Jahres 558.000 Fachkräfte.
Doch inzwischen sind es nicht mehr nur die Spezialisten, die händeringend gesucht werden. Auch weniger qualifizierte Kräfte fehlen an allen Ecken und Enden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verzeichnet für das zweite Quartal dieses Jahres 1,93 Millionen offene Stellen – ein Rekordwert und ein Plus von 66 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Ohne Zuwanderung wird das Reservoir an Arbeitskräften bis 2030 um fünf Millionen Menschen schrumpfen, sagt Arbeitsmarkt-Experte Prof. Enzo Weber im „Deka Fondsmagazin“.
Das Massenphänomen wird zum Geschäftsrisiko: 56 Prozent aller Unternehmen sehen laut DIHK-Konjunkturumfrage im Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko. Bei Mittelständlern mit 20 bis 200 Beschäftigten sind es sogar 65 Prozent.
Sparkassen können Unternehmen helfen, an Attraktivität zuzulegen. Wenn es beispielsweise darum geht, durch nicht finanzielle Anreize Fachkräfte zu gewinnen – etwa durch ein optimiertes Gesundheitsangebot oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten im Betrieb.
Auch das gesellschaftliche Engagement der Sparkassen für eine lebenswerte Region zahlt hierauf ein – denn die sogenannten „weichen“ Standortfaktoren wie das kulturelle Angebot spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Wenn eine Fachkraft freie Wahl zwischen mehreren attraktiven Arbeitgebern hat, dann wird auch das Umfeld zu einem „harten“ Entscheidungskriterium.
3. Lieferketten neu aufstellen
Die deutsche Wirtschaft hatte ihr globales „Just in time“-Management perfektioniert. Sie ist deshalb besonders anfällig, wenn Vorprodukte fehlen, die Abnahme stockt oder Einkaufspreise sprunghaft steigen. Genau das passiert inzwischen immer häufiger: nach dem Brexit kam Corona, und noch während Corona begann der Krieg gegen die Ukraine.
Die Lieferengpässe der vergangenen Monate sind ein logistisches und wirtschaftliches Problem. Sie erinnern uns an etwas, das wir eigentlich längst wissen: Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Schon ein einziges quer stehendes Schiff im Suezkanal kann dazu führen, dass in deutschen Unternehmen die Bänder stillstehen.
Die deutsche Wirtschaft denkt also um – und Sparkassen unterstützen. Das beginnt bei Beratung und Finanzierung und reicht bis zur Kontaktvermittlung über das internationale Netzwerk der Sparkassen-Finanzgruppe. Wir haben das im Juni in einem eigenen Infobrief für Sie zusammengestellt.
Vor allem drei „Trends“ sind jetzt wichtig:
- Nähe: Sorgten international aufgezogene Wertschöpfungsketten für deutlich günstigere Preise in der Produktion, lautet jetzt die Erkenntnis: Effizienz ist nicht alles. Unternehmen richten verstärkt den Blick auf die Risiken, die damit verbunden sind. Viele Firmen prüfen, welche Teile der Produktion sie zurückholen könnten. So suchen sie neue Lieferanten oder stärken die eigene Lagerhaltung.
- Nachhaltigkeit: Für Betriebe mit mehr als 3000 Mitarbeitern tritt ab 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft, für alle mit mindestens 1000 Beschäftigten ab 2024. Mehr Details finden Sie hier: „Projekt saubere und sichere Lieferkette“.
- Krisenfestigkeit: Die Sparkassen-Finanzgruppe ist ein wichtiger Partner für Mittelständler, die ihre Lieferketten neu sortieren wollen (oder müssen). Die Deutsche Leasing richtet sich mit einem Informationsangebot direkt an mittelständische Kunden, die ihre Lieferketten kurz-, mittel- und langfristig resilienter gestalten und Abhängigkeiten verringern wollen.
Übrigens: Die Neuausrichtung der Lieferketten und mehr Lagerhaltung trägt auch dazu bei, Transportwege und damit Energieverbrauch zu senken.